Meditation zur Ausstellung
Natur - Struktur - Farbe von Karin Rahts

Text: Pfarrerin Annegret Zander

Landschaften.
Abgesehen von Brücken, der realen Welt entrückt.
Oder soll ich sagen "landschaftlich"? Die Bilder erinnern mich. Wecken innere Bilder, aufgesogen im Gebirge, im Wald, am Meer, in der Frühlingslandschaft, durch die ich mit hohem Tempo fahre. Blumenmeer, Windhauch im Gras, stürmischer Strandspaziergang. Wasser umspült die nackten Füße. Der Duft von Heidelbeergesträuch, wenn ich mich bücke, um die letzte Beere zu pflücken. Rauer Schaft des Moorgrases, widerspenstig in der Berührung.

Vertraute Bilder, und auch fremd.
Ein grünes Blatt springt keck hervor, Gräser winken - und doch sind sie fremd. Abgebrochene Halme oder Triebe im Wald gaukeln mir Größe vor.

In der Erinnerung neu zusammengesetzt, sind die Bilder ver-rückt,
kein perfektes Abbild mehr.
Ich kann sie nicht mehr ganz fassen, wie im Traum.
Und was mir eben noch vertraut war, löst sich auf, je näher ich herantrete.
Die innere Struktur tritt hervor.
Verwirrend in ihrer Vielfalt, überwältigend in ihrem Farbreichtum.
Wie unter ein Mikroskop gelegt, kommen im Altbekannten
und vordergündig Sichtbaren neue unbekannte Welten zu Tage.

Tiefer schauen
Sich verlieren
Die Augen und die Seele wanderrn lassen
Ohne Ziel und Aufgabe
Einfach in Farbe und Pinselwegen verlorengehen...

Verlorengehen
Und wieder auftauchen

Schicht um Schicht
Verborgenes ergründen
Durchscheinendes erahnen
Das Geheimnis nie erfahren
Und dadurch an Tiefe gewinnen.
Und wieder auftauchen
Gestärkt
Belebt

Energie Bewegung Dynamik
Dynamis, die Kraft in Bewegung
Lust an der Vielfalt der Farben
Das Auge kommt kaum zur Ruhe...
Ich verliere mich abermals,
komme außer Atem angesichts der intensiven Farbe und Bewegungen.

Es gibt auch ruhende Momente, aber nie lang genug.
So ist diese Welt, ruhelos, immer in Bewegung, alles gleichzeitig,
strömt das Leben auf uns ein.
Strömen wir im Leben, ruhelos, atemlos.
Nur einen Moment, nur diesen einen, nur kurz verharren, einatmen,aufnehmen, ver-innen bevor es weitergeht...

Ich trete wieder zurück
Die Distanz verhilft zum Überblick.
Da sind sie wieder, die Bilder, die mir helfen,
mich in dieser Welt zu orientieren und nicht verloren zu gehen.
Sie bauen mir eine Brücke zum Fremden...
und zu meinen eigenen inneren Bildern.


Bad Orb im März 2007